Segelrebellen - mehr als nur Segeln

Wenn ich an die 10 Tage mit den Segelrebellen denke, kommt mir automatisch folgender Satz in den Kopf:

Segeln ist kein Wellnessurlaub – es ist geiler! 

 

Erst möchte ich Euch allgemeine Infos zu den Segelrebellen geben: 

"Segelrebellen ist eine gemeinnützige Organisation, die jungen Krebspatienten die Teilnahme an Offshore-Segeltörns ermöglicht.

Segelrebellen haben nichts mit verklärendem Piratenleben im Sinn; auch nichts mit maritimen Freaks, die dem Landleben entsagen. Vielmehr suchen sie nach Abstand von der Tristesse des Grübelns."

 

Infos zu Marc, dem Gründer der Segelrebellen, findet Ihr auf der Homepage der Organisation: 

"Selbst war er in den Jahren 2010 und 2012 an einem Hirntumor erkrankt. Segeln war während der Chemotherapie sein Anker und Perspektive für die Zukunft. Nachdem er 2014 Jahr sein Jurastudium abgeschlossen hat, entschied er sich die Segelrebellen zu gründen. Mit Segelrebellen will er seine Erfahrung aus der positiven Wirkung des Segelns weitergeben und dabei auf die speziellen Bedürfnisse und Erwartungen von jungen Erwachsenen mit Krebs eingehen."

 

Ende letzten Jahres, als es mir zunehmend besser ging, schaute ich mich nach Angeboten für junge Erwachsene mit Krebs im Internet um und stieß auf die Segelrebellen. Da die Törns bereits für 2018 abgeschlossen waren, erhielt ich dieses Jahr eine Antwort und die wurde gefragt, ob ich 2019 nicht Lust hätte mit zu segeln.

Relativ kurzfristig entschied ich mich dazu, das Abenteuer anzutreten und sprang über meinen eigenen Schatten, denn wer mich kennt weiß, dass ich solche Ideen gern lange vorab akribisch planen möchte. 

 

Am 15. Juni ging meine Reise von Mainz nach Glückstadt los und mit einiger Verspätung erreichte ich abends den Hafen, an dem die Magic, das Schiff der Segelrebellen, anlegte. 

Unsere Gruppe war überraschend klein - vier Teilnehmer plus Marc, der Skipper und Gründer der Organisation. 

Am ersten Tag segelten wir nur ein klein wenig aus dem Hafen heraus und übten ein paar Manöver auf der Elbe, bevor es am zweiten Tag "Segel setzen" hieß und wir mit Euphorie Richtung Cuxhaven unterwegs waren. Es war unheimlich aufregend, denn wir saßen nicht nur faul an Deck und ließen uns verwöhnen, sondern packten selbst an, setzten die Segel oder durften das Schiff steuern. Recht schnell stellten wir alle gemeinsam fest, dass wir weder mit Samthandschuhen angefasst noch ständig geschont werden wollen. 

Ähnlich wie bei anderen Sportarten ist Segeln Teamarbeit - und wenn jemand merkt, dass er Hilfe braucht, dann bekommt er diese auch in Sekundenschnelle. 

Noch etwas überfordert aber dennoch stolz wie Oskar erreichten wir Cuxhaven und durften kräftig lachen, denn der Hafen lag direkt neben einem Campingplatz, der bei Extra3 und Co durch den Kakao gezogen wurde. Ein wahres Highlight. 

Schnell wurde mir klar: Segeln ist wie Camping für besser Verdienende. Die Leute schlafen auf ihren Schiffen, kochen meist dort und jeder ist irgendwie unter sich. Dennoch ist es eine eingeschworene Gruppierung: man grüßt und hilft sich untereinander. 

 

Unser nächster Stop war Helgoland. Bereits die Ankunft im Hafen hatte etwas magisches an sich: ich spürte förmlich, wie all der Druck der vergangenen Monate von mir wich und der Blick auf die kleine Insel hatte etwas so schönes und sehr nordisches an sich. 

Dank Marc's guten Kontakten bekamen wir am kommenden Tag einen ganz besonderen Einblick in die Geschichte der Insel: eine private Bunkerführung, nur für uns! Und man, das war wirklich sehr spannend und ergreifend. 

Unsere kleine Crew wuchs immer fester zusammen und die See wirkte so heilsam, dass man förmlich zusehen konnte, wie jeder Einzelne von uns nach und nach mehr von seiner Geschichte, den Höhen und Tiefen und inneren Dämonen preisgab. Segeln schweißt zusammen - nicht nur an Deck, sondern auch unter Deck. Denn wir kochten jeden Tag zusammen, machten gemeinsam den Abwasch und überlegten, was wir alles einkaufen müssten. 

Außerdem ist der Platz auf dem Schiff begrenzt, das bedeutet, dass wir alle in einer Kabine übernachtet haben und man den Anderen nicht aus dem Weg gehen kann. 

Wieder hieß es "Leinen los" mit Kurs auf Sylt. Bereits auf Helgoland erklärte man uns scherzhaft, dass die "sylter Kultur" für Dekadenz und Protz stehen würde. Mit einigen "sylter Witzen" in der Tasche machten wir uns auf den Weg in den Hafen der Reichen und Schönen. 

Auch auf dieser Strecke wurde mir wieder klar: die Gespräche auf hoher See sind unbeschreiblich. Man sitzt sich stundenlang gegenüber und man kann alles rauslassen. Da waren nur wir 5 und das große, weite Meer. Es beruhigt, es heilt, es öffnet das Tor zum Herzen und ich hatte das Gefühl, meinen Mitseglern alles anvertrauen zu können. Aber wir lachten auch viel, beobachteten Schweinswale und Robben und blickten gemeinsam in die Zukunft. 

Unsere Tage auf Sylt verbrachten wir mit dem Erkunden der Insel (wir lagen im Hafen von Hörnum, dieser liegt an der Südspitze), aßen Eis und frischen Fisch, tranken Aperol (wir lernten ja von den Meistern ;-) ) und stellten fest, dass die Zeile der Ärzte "Es ist zwar etwas teurer, dafür ist man unter sich" eine Menge Wahrheit mit sich brachte, denn ein Porsche folgte auf den nächsten, die abwechselnd die Kennzeichen München oder Hamburg trugen. Und irgendwo dazwischen waren wir - die Rebellen unter den Seglern. Nicht nur aufgrund unseres Alters waren wir eher die Exoten in Hafen und auf der Insel - man sah unserer Truppe an, dass wir einiges hinter uns hatten. (Zwei Mitglieder unserer Gruppe haben seit dem Krebs Schwierigkeiten beim Gehen.) 

Und dennoch hielt uns das nicht davon ab, einfach eine geile Zeit zu haben und euphorisch weiter zu segeln. 

Zurück ging es dann nach Glückstadt mit einem erneuten Zwischenstopp in Cuxhaven. 

 

Mein persönliches Fazit: Ich würde es jedes Mal wieder machen und kann es jedem anderen (Ex-)Krebspatienten nur empfehlen. Die See hat in meinen Augen viel dazu beigetragen, denn sie macht irgendwie ein wenig emotional, vielleicht auch verletzlich, aber sie reinigt auch, sie heilt. Außerdem schweißt die Tatsache, dass man alles teilt und als Team zusammen arbeitet, zusammen. Wir kommen nur am Ziel an, wenn alle anpacken. In unserem Alltag haben wir fast keinen Kontakt zu anderen Krebspatienten (in unserem Alter) und daher verstehen wir, wie es dem anderen geht, was er durch gemacht hat und können die Anderen Dinge fragen, die ein gesunder Mensch sich vielleicht nie trauen würde zu fragen. 

 

Wann ist der richtige Zeitpunkt, um bei den Segelrebellen an einem Törn teilzunehmen?

Rein theoretisch kann jeder (Ex-)Krebspatient zwischen 18 und 39 Jahren an dem Törn teilnehmen. Wann der richtige Zeitpunkt dafür ist, lässt sich schlecht feststellen und ich denke, das weiß jeder für sich selbst am besten. 

Marc ist davon überzeugt, dass der beste Zeitpunkt für einen Törn direkt nach der Therapie ist. Ich glaube, dass für mich 1 Jahr nach der Stammzelltransplantation perfekt für das Segel-Abenteuer war. 

Was jedenfalls fest steht: jeder kann segeln. Egal, ob Einschränkung oder nicht. Für jeden Menschen gibt es an oder unter Deck Aufgaben zu übernehmen und wenn es mal nicht so gut klappt, dann sind das Team und / oder Marc da um zu helfen. 

 

Was kostet der Törn? 

Die meisten Kosten für den Törn werden von Sponsoren übernommen. Der Eigenanteil für den 10-tägigen Segeltörn betrug 250 € ( so günstig werdet Ihr die Möglichkeit nicht mehr bekommen!), 100 € für die Verpflegung an Board und die Anreise müsst Ihr selbst übernehmen. 

Falls jemand von Euch gerne mitkommen würde, aber z.Z. nicht über die finanziellen Mittel verfügt, dann findet Marc auch in diesem Fall sicher eine Lösung, z.B. über ein s.g. Segelstipendium. 

 

Falls der/die ein oder andere jetzt Lust haben sollte, mit den Segelrebellen aufzubrechen, dann findet Ihr hier weitere Informationen:

https://www.segelrebellen.com/ 

 

 

 

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0